Schmerzgedächtnis: Ursache und Wirkung

Zu den erstaunlichen Fähigkeiten des zentralen Nervensystems zählen auch solche, auf die man eigentlich gerne verzichten würde. Das sog. Schmerzgedächtnis ist mittlerweile auch in Laienkreisen ein weithin bekanntes Beispiel dafür. Unsere Nerven speichern erstaunlicherweise Lernvorgänge ab. Auf diesem Wege legt sich eine anhaltende „Erinnerungsspur“ für Schmerzreize durch das gesamte Nervensystem. Letztendlich zeigt  sich darin dessen enorme Lernfähigkeit. Man nennt diese Eigenschaft auch neuronale Plastizität. Tatsächlich vergessen unsere Systeme anhaltende unangenehme Reize nicht einfach so. Sie stellen sich darauf ein, weil sie außerordentlich anpassungsfähig sind. Damit kommt es zu einer Situation, die nicht leicht rückgängig zu machen ist.   

Das Schmerzgedächtnis und seine Folgen

Wie so häufig bei Nervensystemen erfolgt dessen Systemantwort reflexhaft, autonom. Leider können wir diese Reflexe nicht selbst steuern. Tatsächlich belastet das Schmerzgedächtnis den Organismus erheblich. Schon kleine, eigentlich kaum oder überhaupt nicht schmerzhafte Reize erregen die Nerven. Sie werden dadurch sensibilisiert, wie man sagt. Selbst einfache, neutrale Berührungen empfindet man über diesen Mechanismus als äußerst unangenehm. Auf diesem Wege kommt es auch zu Wechselwirkungen mit dem vegetativen Nervensystem. Jeder langanhaltende Schmerz hat ja immer auch Verbindungen zu gefühlsverarbeitenden Hirnzentren. Nicht zuletzt durch seine emotionalen Verbindungen wird insbesondere der chronische Schmerz häufig so unerträglich. Letztendlich wird das Schmerzgedächtnis als Hauptgrund angesehen für die oftmals begrenzte Wirkung herkömmlicher Therapiemaßnahmen gegenüber chronischen Schmerzen. 

Was hilft gegen Schmerzgedächtnis?

Eine frühzeitige, konsequente Therapie ist daher die beste Medizin gegen die Etablierung des Schmerzgedächtnisses. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass vielfach leichte oder auch mäßig starke Beschwerden „auf die lange Bank“ geschoben werden. Hier lauert die Gefahr einer Therapieresistenz, einer Regulationsstarre. Aus Sicht der Komplementärmedizin sind  sog. Störherde oder Störfelder verantwortlich für Chronifizierung und Therapieresistenz. Die Deaktivierung dieser Störherde kann tatsächlich das Beschwerdebild umgehend positiv verändern. Zu diesem Zweck verwendet man Akupunkturnadeln, Laserstrahlen oder Injektionen mit einem lokalen Betäubungsmittel. Entscheidend wichtig ist allerdings die genaue Ermittlung des Störherdes und seine endgültige Beseitigung. Hierzu bieten sich die Techniken der Aurikulomedizin an. Damit gelingt in aller Regel zuverlässig eine Löschung des Schmerzgedächtnisses.

Schmerzmittel: wie wirksam sind sie?

Schmerzmittel sind eine segensreiche Einrichtung. So haben wir es im Kopf und vertrauen darauf, im Ernstfall immer eine wirksame Hilfe zur Verfügung zu haben. Stellvertretend für alle Schmerzmedikamente ist uns und der Welt seit vielen Jahrzehnten Aspirin als Kopfschmerzmittel geläufig. Sein Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) wurde auch gerne mit dem ebenfalls seit langem beliebten Wirkstoff Paracetamol kombiniert. Zusammen mit Coffein nennt sich das Medikament dann Thomapyrin . In jüngerer Zeit  macht allerdings Ibuprofen, das sog. „Ibu“, das Rennen. Man setzt es bei Fieber, Spannungskopfschmerzen, Menstruationsbeschwerden und allen Formen von Rücken- und Gliederschmerzen ein. Oder auch mal vor einem wichtigen Meeting und beim Marathonlauf.

Stark wirksame Schmerzmittel

Zu den Schmerzmitteln mit starker und sehr starker Wirkung gehören die Opioide. Damit zählen Morphium und seine Verwandten. Man setzt Opiate, Morphine seit langem in der Therapie von stärksten Schmerzen ein, beispielsweise bei Tumorerkrankungen. Mittlerweile finden diese Stoffe in erheblichem Maße auch bei Nicht-Tumor-Erkrankungen Anwendung. Damit sind überwiegend Schmerzen durch Verschleißerscheinungen der Gelenke und des Rückens gemeint. Allerdings sind auch die stärksten Schmerzmittel kein Garant für eine wirksame Schmerzlinderung. In den letzten Jahren kamen hochkarätige Studien zu diesem erstaunlichen Ergebnis. Tatsächlich wirken Opiate nicht zwangsläufig stärker als Nicht-Opiate. Das bedeutet konkret, dass die stärksten Schmerzmittel einem Ibuprofen unterlegen sein können. Daraus folgt, dass man in jedem Einzelfall das richtige Schmerzmittel individuell austesten sollte. 

Schmerzmittel und chronische Schmerzen

Große Studien lassen den Schluss zu, dass insbesondere bei chronischen Schmerzen die Medikamentenwirkung beschränkt ist. Bei alten Menschen sind die Möglichkeiten einer medikamentösen Schmerztherapie grundsätzlich begrenzt. Leider steigt ja die Nebenwirkungswahrscheinlichkeit mit zunehmendem Alter. Wenn man sich die Wirkmechanismen häufig in der Schmerztherapie eingesetzter Substanzen genauer anschaut, profitieren Patienten offenbar vorwiegend von deren beruhigenden, angstlösenden und wohl auch muskelentspannenden Effekten. Derartige Medikamenteneigenschaften haben auch einen günstigen Einfluss auf unsere vegetativen und emotionalen Zentren. Somit sind wir aufgerufen, gerade bei Dauergebrauch von Schmerzmitteln sehr kritisch zu überprüfen, ob tatsächlich eine nennenswerte Schmerz lösende Wirkung erfolgt. Vielfach werden solche Mittel aus reiner Gewohnheit immer weiter eingenommen und produzieren am Ende eher unerwünschte Nebenwirkungen. 

Medikamente und Nebenwirkungen

Medikamente retten Leben und erleichtern das Dasein. Viele Menschen verdanken ihnen eine lange Lebenszeit. Der Siegeszug der modernen Medizin nahm mit der medikamentösen Seuchenbekämpfung ihren Anfang. Antibiotika und Cortison sind häufig unsere letzte Chance. Daher vertrauen die Menschen auch diesen Medikamenten. Doch Vorsicht: es handelt sich hier nicht um Nahrungsmittel, die bedenkenlos eingesetzt werden können.  Jede medikamentöse Maßnahme sollte mit Bedacht und großem Respekt vor dem eigenen Körper erfolgen, der diese chemischen Wunderwaffen letztlich verstoffwechseln und vertragen muss. Gleichzeitig sollte man voll informiert sein über die wesentlichen und wichtigen Nebenwirkungen.

Medikamente wirken immer irgendwie

Künstlich hergestellte, chemische Stoffe sind immer eine Herausforderung für den Körper. Er kann sie mit einer Unverträglichkeitsreaktion beantworten, beispielsweise auf der Haut. Unerwünschte Wirkungen können sich aber auch an anderen Organen abspielen. Bekannt sind beispielsweise die Folgen von Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Diclofenac auf Magen- und Darmschleimhaut. Weithin unbekannt sind allerdings die Wirkungen bekannter Medikamente auf die Muskulatur. Während wir eine Magen-Darm-Unpässlichkeit meistens sofort wahrnehmen, entgehen uns in der Regel unerwünschte medikamentöse Nebenwirkungen im Bereich der Arme, der Beine und des Rückens. Wir bringen sie damit einfach nicht in Zusammenhang. Auch dann nicht, wenn diese Zusammenhänge im Beipackzettel erwähnt sind. Das bedeutet im Klartext: Ihre Kreuzschmerztherapie kann wirkungslos bleiben, weil sie Medikamente einnehmen, die zu Muskelschmerzen führen.

Welche Medikamente können ungünstig auf die Muskeln einwirken?

Nach meiner Erfahrung sind hier vor allem Herz-, Blutdruck- und Schilddrüsenmedikamente zu nennen. Damit trifft es Stoffe, die zu den am häufigsten eingenommenen Mitteln gehören. Chronische, therapieresistente Schmerzen im Bereich der Extremitäten beispielsweise sind nicht selten auch auf die dauerhafte, langjährige Einnahme dieser Mittel zurückzuführen. Es gibt Methoden, mit denen eine Überprüfung der Medikamente möglich ist. Ich bevorzuge dabei Techniken aus der Aurikulomedizin.  Hiermit können zuverlässig Unverträglichkeiten nahezu aller chemischen aber auch natürlichen Substanzen wie Nahrungsmittel ausgetestet werden. Sofern Unverträglichkeiten festgestellt wurden, sollte versucht werden die entsprechende Medikamente zu ersetzen oder wenigstens zu reduzieren. Therapeutische Alternativen sind hier nach meiner Erfahrung bei gutem Willen fast immer zu finden.

Und was ist mit Cortison?

Cortison gilt insbesondere bei Orthopäden und Chirurgen als „eierlegende Wollmilchsau“. Ein Alleskönner also, der bei allen möglichen Schmerzen eingesetzt wird. Insbesondere dann, wenn man therapeutisch nicht mehr weiter weiß.  Wenn es mal schnell gehen muss, ist gegen die eine oder andere Spritze nichts einzuwenden. Und bei bestimmten Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis ist Cortison vielfach ein Muss. Aber Vorsicht bei den sog. Verschleißerscheinungen und ungeklärten Schmerzursachen. Hier drohen bei wiederholten Anwendungen unangenehme Konsequenzen.   

Therapieresistenz – Schmerz ohne Ende

Für viele ein Riesenproblem: Therapieresistenz – Schmerz ohne Ende. Wenn  Beschwerden trotz eingehender Behandlung nicht enden wollen, spricht man von Therapieresistenz oder auch Regulationsstarre. Damit ist eine scheinbar unbeeinflussbare Situation angesprochen, die auch als Reaktionsstarre bezeichnet wird. Sämtliche therapeutische Bemühungen scheinen ins Leere zu gehen. Es will sich keine oder immer nur eine vorübergehende Besserung einstellen. Behandlungserfolge der Vergangenheit lassen sich jetzt nicht mehr wiederholen. Die Ursache dieses Problems lässt sich offenbar nicht ermitteln. Daher greift man in diesen Situationen in der etablierten Schmerzmedizin auf starke Medikamente und Schmerzbewältigungs-Strategien zurück. Eine Heilung oder wenigstens eine dauerhafte Besserung des Problems an sich ist kein Behandlungsziel mehr. Jetzt heißt es mit dem Schmerz leben zu müssen.   

Störherde: erfolgreich gegen Therapieresistenz

Therapieresistenz ist ein Problem, aber es gibt Abhilfe. Es bedarf nur zusätzlicher Maßnahmen, die in der Regel nicht zum Katalog der konventionellen Medizin, der sog. Schulmedizin, gehören. Hier ist eine effiziente Komplementärmedizin gefragt. Dabei müssen wir nach den Gründen für die Therapieresistenz suchen. Häufig existieren sog. Störherde, also Narbenfelder, die die Selbstheilungskräfte behindern. Das ist überaus häufig der Fall. Leider gibt es zu diesem Thema keine allgemein akzeptieren Forschungsergebnisse. Aus meiner Sicht allerdings besteht an der Existenz dieser Störfaktoren keinerlei Zweifel. Ich habe so viele Patienten erlebt, die erst nach erfolgreicher Suche und Behandlung dieser Störherde beschwerdefrei wurden. Allerdings ist diese Suche manchmal nicht ganz einfach. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Eine ist die seit langem bekannte Neuraltherapie. Aus meiner Sicht ist die lasergestützte kontrollierte Ohrakupunktur die beste Methode.

Behandlung von Stauungsphänomenen   

Schon die traditionelle chinesische Medizin kennt Stauungen, auch Stagnation oder Stase genannt, als wesentliche Ursache von Therapieresistenz. Darüber wurde im alten China viel geschrieben und eine Reihe von bekannten Heilmethoden entwickelt, die auch im modernen China noch eifrig gepflegt werden. Dazu gehören beispielsweise Qigong oder Thai Chi. Aber auch der Westen hat Entspannungstechniken entwickelt, die auf die Auflösung von Spannungen abzielen. Stauungen im Bindegewebe, in den Faszien und der Muskulatur sind meistens nicht sichtbar aber allgegenwärtig. Unser „moderner“ Lebensstil begünstigt natürlich derartige Zivilisationsprobleme. Daher sind aktive, die Zirkulation fördernde Aktivitäten sinnvoll, manchmal tut es auch eine Massage. Viele osteopathische Techniken nutzen diese Effekte. Die erfolgreiche Behandlung von lokalen Stoffwechsel-Problemen ist ein wichtiges Werkzeug zur Überwindung der Therapieresistenz.   

 

Sensibilisierung – mehr Schmerzen

Wie kann es sein, dass Schmerzen immer stärker werden ohne ersichtlichen Grund? Und warum ertragen wir sie immer schlechter anstatt uns daran zu gewöhnen? Die Antwort darauf sind die neuen Zauberworte aus der Schmerzforschung: Sensibilisierung, Schwellenphänomene. Auf einen kurzen Nenner gebracht ist die Botschaft: Schmerzempfindung ist ein hochdynamisches, flexibles und anpassungsfähiges System. Körperliche und seelische Faktoren beeinflussen das Nervensystem. Auf diese Weise bilden sich auf der körperlichen Mikroebene schmerzhemmende und schmerzbahnende Strukturen aus. Diese entstehen und können aber auch wieder verschwinden. Wir selbst spielen in diesem Prozess eine entscheidende Rolle, sind nicht nur der unbeteiligte Beobachter. 

Sensibilisierung

Sensibilisierung bedeutet zunehmende Empfindlichkeit. Keine Einbildung sondern reale, harte Wirklichkeit. Anhaltende Schmerzreize verändern unser Nervensystem. Daher ist es so wichtig, so schnell wie möglich ernsthafte Beschwerden zu unterbinden. Ansonsten sind bereits nach wenigen Wochen auf Zellniveau Systeme der Schmerzentstehung an der Sensibilisierung beteiligt. Dies führt dazu, dass schmerzhafte Erregungen besser, schneller zum Rückenmark und Gehirn fortgeleitet werden. Zusätzlich  verstärken andere Nervensysteme die Schmerzentstehung. Das Gehirn sieht sich durch diese Interaktionen veranlasst mehr Schmerzen wahrzunehmen – selbst wenn eigentlich keine starken Schmerzreize vorliegen. Daher nennt man diesen Zustand zentrale Sensibilisierung. Darunter leiden sehr viele Menschen. Ein Befund, der nicht leicht zu erklären oder zu verstehen ist. Trotzdem sollte immer der Versuch gemacht werden. Der Patient muss mit ins Boot geholt werden, wie man so schön sagt.  

Absenkung der Schmerzschwelle

Eigentlich kennen wir alle diesen Vorgang der Sensibilisierung. Die meisten von uns haben schon einmal Situationen erlebt, in denen sie mit einer gesteigerten Empfindlichkeit reagiert haben. Das können Gerüche, Farben oder auch einfach mal Menschen sein, die wir glauben nicht ausstehen zu können. Letztlich ist in diesen Fällen unsere Reizschwelle abgesenkt. Es bedarf jetzt kleinerer Reize als im Normalzustand, um eine Erregung auszulösen. Bezogen auf unser Thema bedeutet diese Erregung; Schmerz. Eine hohe Schwelle macht uns unempfindlicher, aber auch unsensibler. Niedrige Schwellen erhöhen unsere Reaktionsbereitschaft – ganz ähnlich wie bei einer Allergie. Nur sind wir jetzt nicht gegen Pollen sondern gegen Schmerz auslösende Reize „allergisch“. Diese Schwellenzustände beeinflussen in Wahrheit unser ganzes Leben. Viele wichtige Entscheidungen lassen sich darauf zurückführen.   

Schmerzen – immer eine Herausforderung

Viele Menschen sind traurig, verzweifelt und mutlos, weil sie unter Schmerzen leiden. Häufig widersetzen diese sich allen therapeutischen Bemühungen.

Anfangs hofft man immer, dass  die Schmerzen schnell erkannt und einer wirksamen  Therapie zugeführt werden können. Häufig lässt man die Dinge allerdings auch erst einmal auf sich beruhen und unternimmt nichts. Nicht selten scheinen die Beschwerden auch tatsächlich wieder zu vergehen. Irgendwann wird dann aber klar, dass keine wirkliche Besserung eingetreten ist, obwohl bereits Wochen und Monate vergangen sind. 

Jetzt soll es dann aber ganz schnell gehen und der Weg führt in eine oder mehrere Praxen oder sogar in ein Krankenhaus. Dort erwarten wir Aufklärung über das Leiden, eine klare Diagnose und eine ebenso eindeutige Therapie muss her.

Chronische Schmerzen: eine unangenehme Überraschung

In vielen Fällen finden Ärzte und andere Therapeuten allerdings tatsächlich keine schlüssigen Erklärungen für die Probleme. Dadurch wird die ganze Situation zusätzlich problematisch. Wie soll man die Schmerzen denn seinen Angehörigen und Freunden erklären?  Medikamentöse und operative Behandlungen führen nicht selten zu zusätzlichen Belastungen. Eine Negativspirale beginnt sich zu drehen. Die Stimmung verschlechtert sich zunehmend. Und auch wenn viele es sich dann oft noch nicht eingestehen wollen, es treten zunehmend ernsthafte Momente von Angstgefühlen auf. Man muss sich offenbar eingestehen, dass die  Schmerzen chronisch geworden sind. 

Angst und Selbstzweifel

Wovor ängstigt man  sich? Natürlich vor der Zukunft, denn diese erscheint in  einem zunehmend trüben Licht angesichts der nicht enden wollenden Beschwerden. Ein Leben mit permanenten oder immer wiederkehrenden Schmerzen. Niemand will das. Außerdem gibt es da noch ein schlimmes Problem: warum schlägt die Therapie nicht an, warum helfen all  die therapeutischen Sitzungen nicht oder jedenfalls nicht anhaltend. Ist mein Leiden jetzt schon therapieresistent? Hat das möglicherweise etwas mit mir selbst zu tun, bilde ich mir das Ganze nur ein und was habe ich alles falsch gemacht? Man kann sich unschwer ausmalen, wie sehr die Situation durch solche Grübeleien zusätzlich belastet wird. Und noch etwas macht den Schmerzkranken zu schaffen: sie verlieren das Vertrauen in ihre Therapeuten – ein außerordentlich schwerwiegender Umstand. Woher soll jetzt noch Hoffnung kommen?

Auch wenn es jetzt dramatisch geklungen hat, es ist noch nicht aller Tage Abend. Hoffnung ist da, aber sie sollte nicht mehr enttäuscht werden. Und zuallererst muss den Patienten erklärt werden, warum alles so ist, wie es ist. Was es mit ihren Schmerzen auf sich hat. Diese Erklärungen  müssen nachvollziehbar, plausibel und von viel authentischer Erfahrung unterlegt sein. Dieser Blog soll dazu einen Beitrag leisten.

 

Schmerz – Kompetenz dringend erforderlich

Wenn man den einschlägigen Untersuchungen Glauben schenkt, ist der Schmerz in Deutschland ein Normal- und Dauerzustand. Hierzulande leiden 13-15 Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen, eine wirklich beeindruckend hohe Zahl.  Über 22% der 40-60-Jährigen geben chronische Schmerzen  an. In der Gesamtbevölkerung leidet jeder Zehnte unter Rückenschmerzen. Zu jedem Zeitpunkt haben etwa 20% aller Menschen Schmerzen, die schon mindestens drei Monate bestehen.

Schmerz ist die teuerste aller Krankheiten – vor allem wegen ihrer Konsequenzen und Folgekosten.  Die Zahl der Schmerzkranken steigt nämlich ungeachtet der immer aufwändigeren Therapiebemühungen. Es wird immer häufiger teure und invasive Diagnostik betrieben und immer öfter und schneller operiert. Das Schmerzproblem einfach auszusitzen ist allerdings auch keine Lösung. Die Menschen werden immer älter, und die meisten Beschwerden nehmen im Alter auch noch zu. Daher bedient sich die Medizin aus sämtlichen Technikarsenalen und feuert aus allen Rohren. Medikamente werden in großem Stil eingesetzt und keine Kosten und Mühen gescheut. Aber warum spiegelt sich das nicht im Ergebnis wider, warum ist die Medizin auf diesem Gebiet so ineffizient?   

Das Diagnoseproblem beim Schmerz

Tatsächlich lernt man als Medizinstudent das geflügelte Wort, dass die Götter vor die Therapie die Diagnose gesetzt haben. Damit haben die Götter auch absolut Recht. Allerdings, was passiert, wenn sich keine plausible Diagnose finden lässt?

Leider ist das Fehlen einer auch für die Patienten einleuchtenden Diagnose  keine Seltenheit. Demzufolge haben viele Schmerzpatienten eine Gemeinsamkeit – und das ist ein unklarer, widersprüchlicher diagnostischer Status. Hingegen existieren in all diesen Fällen eine Vielzahl unterschiedlicher Befunde und Vorstellungen über die Ursache des Leidens. Meistens erklärt keine davon plausibel die Entstehung und vor allem das Andauern der Beschwerden, den Chronifizierungsprozess. Warum vergehen diese lästigen Probleme nicht einfach?

Ohne richtige Schmerz-Diagnose keine dauerhaft wirksame Therapie

Es gab einmal einen berühmten deutschen Philosophen, der den vielzitierten Satz sprach: „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“. Genauso wenig gibt es eine erfolgreiche, effiziente Therapie bei unzutreffenden Diagnosen. Wie konnte es dazu kommen, dass unsere erfolgsgewöhnte und innovative Medizinforschung für das Schmerzproblem noch keine Lösung gefunden hat?

Ein Hauptgrund für diese anhaltende Misere ist das Fehlen diagnostischer Werkzeuge, Tools. Daher können wir Schmerz nicht objektiv messen und apparativ darstellen. Natürlich lassen sich mit den üblichen Blutuntersuchungen und radiologischen Diagnoseverfahren eine Menge Daten erheben.  Diese Befunde sind jedoch bei komplexen Schmerzproblemen häufig nicht relevant, sie zeigen nicht die wirkliche Ursache des Schmerzes. Demzufolge muss man feststellen, dass sich derzeit viele Schmerzprobleme einfach deshalb nicht lösen lassen, weil sich die Diagnostik in der Regel nur auf die üblichen, etablierten technischen Fähigkeiten der Medizin stützt.   

 

 

 

 

 

Diagnosen – wichtig aber häufig falsch

An dieser Stelle soll es um ein Thema gehen, das für jeden von entscheidender Bedeutung ist, der sich in ärztliche Hände begibt. Es geht um die Diagnosen, also um die Namen, die die Behandler unseren Schmerzen geben. Diagnosen entscheiden im allgemeinen über unser gesundheitliches Wohl und Wehe und im speziellen über die Therapie einer Krankheit. Welche Informationen führen Ärzte zu einer Diagnose?

Störungen am Bewegungssystem untersucht man vor allem mit Hilfe radiologischer, bildgebender Techniken . Zu diesen Techniken gehören die mittlerweile weithin bekannten Computer- bzw. Kernspintomografien, die sog. „Röhren“. Diese Techniken liefern hochpräzise Bilder von Strukturen nahezu aller Körperbereiche. Wunderbar denkt man, aber wo ist das Problem?  

Vorsicht, Diagnosen!

Die Schwierigkeit beginnt mit der wissenschaftlich geklärten Tatsache, dass die meisten Schmerzen nicht Folge von zerstörten Strukturen sind sondern das Resultat gestörter Funktionen. Bei einer Kniegelenkarthrose sehen wir beispielsweise mit Hilfe der Kernspintomografie exakt das Ausmaß einer Arthrose, also einer zerstörten Struktur. Eine Blockierung, also die Funktionsstörung der Gelenkpartner, können wir mit dieser Methode allerdings nicht feststellen. Dazu ist diese Technik nicht geeignet. Tatsächlich existieren keine apparativen Techniken zur Diagnostik einer funktionellen Störung.

Der Nachweis funktioneller Störungen gelingt mit Hilfe manueller Untersuchungstechniken, auf dem Wege eines ausführlichen ärztlichen Gesprächs und über die Würdigung des gesamten Erscheinungsbildes des Patienten. Dazu gehören Kenntnisse, an denen es in Zeiten großer Technikbegeisterung mittlerweile leider mangelt. 

Fehlentwicklung mit Konsequenzen

Was sind die Konsequenzen dieser Situation, von der die Medizin offenbar nicht Kenntnis nehmen will? Geradezu verzweifelt setzt sie auf noch mehr und immer  aufwändigere Röntgenuntersuchungen in der Hoffnung, doch noch eine strukturelle Diagnose stellen zu können. Das gelingt auch häufig. Irgendein Verschleiß findet sich in aller Regel und wird dann zur entscheidenden Diagnose überhöht. So etwas nennt man Überdiagnostik. Nicht selten resultieren daraus sinnlose Therapien bis hin zu Operationen. Das Ergebnis sind therapieresistente, chronische Schmerzen – aber nach wie vor keine überzeugende Diagnose, die das Leiden erklären kann.

Unsere Medizin, die Medizin des Westens, ist groß geworden durch technische Erfindungen, die die erfolgreiche Behandlung von Seuchen bis hin zur Therapie früher unheilbarer Krankheiten ermöglichte. Störungen, die mit ihren Hilfsmitteln nicht exakt zu diagnostizieren sind, werden gerne in das Reich der Psyche verwiesen. Die Gesamtschau, das vernetzte Denken, gehört nicht zu den Kernkompetenzen unseres Medizinsystems. Dabei ist es gar nicht so schwer. Man muss nur seine Bedeutung erkennen und sich darin üben.   

 

Myofasziale Schmerzen hat jeder

Wir haben über strukturell bedingte Beschwerden gesprochen, also über kaputte Gelenke, Bandscheibenvorfälle oder Nervenentzündungen. Im Vergleich dazu treten jedoch funktionelle Störungen wesentlich häufiger auf. Funktionsstörungen führen zu Schmerzen an Muskeln, Faszien und Nervensystemen. Die richtige Diagnose dafür lautet myofasziale Schmerzen. Bei Muskelverspannungen oder den meisten Rückenschmerzen handelt es sich ums derartige funktionelle Störungen. Meistens vergehen solche Unpässlichkeiten schnell wieder von ganz alleine. Tun sie das jedoch nicht, können sie sich zu hartnäckigen, das ganze Leben beeinträchtigenden Schmerzsyndromen entwickeln Die Bezeichnung Syndrom weist darauf hin, dass derartige Beschwerdebilder meistens ein buntes Bild verschiedener Störungen auszeichnet. Typisch ist die Wechselhaftigkeit und eine diffuse Symptomatik, die in unterschiedlichen Variationen und Situationen in Erscheinung tritt.

Schmerzen an Muskeln, Faszien und Nervensystemen = Myofasziale Schmerzen 

Tatsächlich kann man myofasziale Schmerzen nicht mit Hilfe bildgebender Verfahren wie Röntgentechnik oder Kernspintomografie diagnostizieren. Warum ist das so? Bei myofaszialen Schmerzen handelt es sich um funktionelle Störungen im Bereich der Muskeln und Faszien. Funktionelle Störungen erkennt man im Zustand der Muskel-Fehlfunktion. Also beispielsweise an Hand einer Muskelverhärtung, Muskelverkürzung oder auch einer Sehnenempfindlichkeit.  Faszien umgeben jeden Muskel und jedes Organ. Sie vernetzen also unseren gesamten Körper und sind sozusagen das Bindegewebe unserer Muskeln. Faszien werden zunehmend als bedeutungsvoll erkannt, weil sie alle Strukturen unseres Körpers vernetzen und weil sie vegetative Fasern in hoher Dichte enthalten. Dadurch werden Faszien selbst zum Sinnesorgan. Die Muskel-Faszien-Einheit ist also viel mehr als nur ein Befehls empfangendes Kraftpaket. Wie das gesamte Bindegewebe überhaupt reagiert sie auf Bewegungsmangel, Ernährungsfehler und vor allem emotionale Störungen.

Wie behandele ich myofasziale Schmerzen? 

Zunächst einmal dadurch, dass ich erkenne: es handelt sich um Schmerzen an Muskeln, Faszien und Nervensystemen. Die richtige Diagnose muss her, das ist entscheidend wichtig. Myofasziale Schmerzen zeichnen sich vor allem durch Funktionsstörungen aus. Darunter verstehen wir Störungen unseres Bewegungsverhaltens (Motorik) und des Körpergefühls (Sensorik). Myofasziale Schmerzen treten aber auch in Ruhe auf und verursachen insbesondere Gefühlsstörungen in Form von Taubheit und Kribbelparästhesien. Auffallend ist außerdem oft eine gesteigerte Empfindlichkeit am Bewegungssystem, eine vermehrte Sensibilität. Nicht zuletzt dadurch wird der ganze Schmerzkomplex so unerträglich. Zusätzlich fallen bei den Patienten auch vermehrte Reizbarkeit und Unruhe auf, sicherlich nicht zuletzt infolge der langen Vorgeschichte des Leidens mit vielen vergeblichen Therapieversuchen. Das Therapieziel ist daher die umgehende Schmerzlinderung mittels Desensibilisierung überempfindlicher Gewebe. Das führt zur Wiederherstellung von Beweglichkeit und Funktion.

Das vegetative Nervensystem – unbekannte Nerven

Treten Schmerzen auf, weiß ein jeder: es müssen die Nerven sein! Da ist was dran, die Nerven sind schließlich die Kabel, die auch die entlegensten Körperbereiche mit dem zentralen Nervensystem verbinden. Bei solchen Kabeln denken wir häufig beispielsweise an den „Ischias-Nerv“. Das ist der große Nerv, der vom unteren Rückenbereich auf der Beinrückseite hinunterläuft und immer für Kreuz- und Beinschmerzen verantwortlich gemacht wird. Er ist allerdings Teil der sog. bewussten Nerven, die wir einsetzen, um uns zu bewegen. Dieses Nervensystem ist in der Regel gut darstellbar und kann auch neurologisch genau untersucht werden. Ein Bandscheibenvorfall quetscht manchmal einen solchen Nerv ein und verursacht auf diese Weise Schmerzen, Lähmungen und Gefühlsstörungen. Das vegetative Nervensystem funktioniert allerdings ganz anders. 

Das vegetative Nervensystem – die etwas anderen Nerven 

Im Gegensatz zum erwähnten bewussten Nervensystem ist das vegetative System unbewusst. Es reagiert selbstständig auf Innen- und Außenreize. Daher wird es auch autonomes Nervensystem genannt. Ihm obliegt u.a. die Steuerung der Eingeweide und des Herz-Kreislauf-Systems. Es ist immer beteiligt, wenn wir aufgeregt sind oder unsere Verdauung nicht funktioniert. Darüber hinaus überwacht es unsere Biorhythmen und sexuelle Funktionen. Es reagiert auf Stress und körperliche oder seelische Anstrengungen. Das vegetative Nervensystem spielt aber auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Erhaltung chronischer Schmerzen. Und nicht nur das, es hat sogar Einfluss auf unsere Emotionen und unseren Gefühlshaushalt. Damit unterliegt es auch den  Schwankungen unserer Stimmungen und des Wetters. Unser Bauchgefühl, das sich gelegentlich in besonderen Situationen meldet, setzt sich wahrscheinlich aus den vielen vegetativen Nervenzellen im Magen-Darmtrakt zusammen. Daher spricht man auch vom sog. Bauchhirn. Wie es scheint, ein außerordentlich wichtiges Nervensystem! 

Das Vegetativum: keine Diagnostik, keine gezielte Therapie

Wichtig ja, aber kaum zu glauben: wir verfügen bei diesem Nervensystem bis heute nicht über  spezifische diagnostische oder therapeutische Kenntnisse. Das bedeutet, es gibt keine apparative Technik, die uns zuverlässig darüber aufklären kann, ob etwas mit unserem Vegetativum nicht stimmt. Vegetative Unruhezustände und Funktionsstörungen lassen sich demnach weder auf ihren Ursprung zurückführen noch sind sie gezielt behandelbar. Nur auf dem Wege der Ausschlussdiagnostik vermutet die Medizin schließlich eine vegetative Störung, wenn nämlich alle anderen Diagnose fähigen Erkrankungen ausgeschlossen sind. Daher greift die Menschheit seit allen Zeiten zur Selbsthilfe und probiert es mit beruhigenden Substanzen wie Zigaretten, Alkohol oder anderen Drogen. Letzteren lassen sich auch manche Medikamente zurechnen. Dazu passt die Meldung, dass Angststörungen massiv auf dem Vormarsch sind. Auch Schmerzen werden immer häufiger beklagt, und sie machen eine Höllenangst.