Sensibilisierung – mehr Schmerzen

Wie kann es sein, dass Schmerzen immer stärker werden ohne ersichtlichen Grund? Und warum ertragen wir sie immer schlechter anstatt uns daran zu gewöhnen? Die Antwort darauf sind die neuen Zauberworte aus der Schmerzforschung: Sensibilisierung, Schwellenphänomene. Auf einen kurzen Nenner gebracht ist die Botschaft: Schmerzempfindung ist ein hochdynamisches, flexibles und anpassungsfähiges System. Körperliche und seelische Faktoren beeinflussen das Nervensystem. Auf diese Weise bilden sich auf der körperlichen Mikroebene schmerzhemmende und schmerzbahnende Strukturen aus. Diese entstehen und können aber auch wieder verschwinden. Wir selbst spielen in diesem Prozess eine entscheidende Rolle, sind nicht nur der unbeteiligte Beobachter. 

Sensibilisierung

Sensibilisierung bedeutet zunehmende Empfindlichkeit. Keine Einbildung sondern reale, harte Wirklichkeit. Anhaltende Schmerzreize verändern unser Nervensystem. Daher ist es so wichtig, so schnell wie möglich ernsthafte Beschwerden zu unterbinden. Ansonsten sind bereits nach wenigen Wochen auf Zellniveau Systeme der Schmerzentstehung an der Sensibilisierung beteiligt. Dies führt dazu, dass schmerzhafte Erregungen besser, schneller zum Rückenmark und Gehirn fortgeleitet werden. Zusätzlich  verstärken andere Nervensysteme die Schmerzentstehung. Das Gehirn sieht sich durch diese Interaktionen veranlasst mehr Schmerzen wahrzunehmen – selbst wenn eigentlich keine starken Schmerzreize vorliegen. Daher nennt man diesen Zustand zentrale Sensibilisierung. Darunter leiden sehr viele Menschen. Ein Befund, der nicht leicht zu erklären oder zu verstehen ist. Trotzdem sollte immer der Versuch gemacht werden. Der Patient muss mit ins Boot geholt werden, wie man so schön sagt.  

Absenkung der Schmerzschwelle

Eigentlich kennen wir alle diesen Vorgang der Sensibilisierung. Die meisten von uns haben schon einmal Situationen erlebt, in denen sie mit einer gesteigerten Empfindlichkeit reagiert haben. Das können Gerüche, Farben oder auch einfach mal Menschen sein, die wir glauben nicht ausstehen zu können. Letztlich ist in diesen Fällen unsere Reizschwelle abgesenkt. Es bedarf jetzt kleinerer Reize als im Normalzustand, um eine Erregung auszulösen. Bezogen auf unser Thema bedeutet diese Erregung; Schmerz. Eine hohe Schwelle macht uns unempfindlicher, aber auch unsensibler. Niedrige Schwellen erhöhen unsere Reaktionsbereitschaft – ganz ähnlich wie bei einer Allergie. Nur sind wir jetzt nicht gegen Pollen sondern gegen Schmerz auslösende Reize „allergisch“. Diese Schwellenzustände beeinflussen in Wahrheit unser ganzes Leben. Viele wichtige Entscheidungen lassen sich darauf zurückführen.   

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