Schmerzgedächtnis: Ursache und Wirkung

Zu den erstaunlichen Fähigkeiten des zentralen Nervensystems zählen auch solche, auf die man eigentlich gerne verzichten würde. Das sog. Schmerzgedächtnis ist mittlerweile auch in Laienkreisen ein weithin bekanntes Beispiel dafür. Unsere Nerven speichern erstaunlicherweise Lernvorgänge ab. Auf diesem Wege legt sich eine anhaltende „Erinnerungsspur“ für Schmerzreize durch das gesamte Nervensystem. Letztendlich zeigt  sich darin dessen enorme Lernfähigkeit. Man nennt diese Eigenschaft auch neuronale Plastizität. Tatsächlich vergessen unsere Systeme anhaltende unangenehme Reize nicht einfach so. Sie stellen sich darauf ein, weil sie außerordentlich anpassungsfähig sind. Damit kommt es zu einer Situation, die nicht leicht rückgängig zu machen ist.   

Das Schmerzgedächtnis und seine Folgen

Wie so häufig bei Nervensystemen erfolgt dessen Systemantwort reflexhaft, autonom. Leider können wir diese Reflexe nicht selbst steuern. Tatsächlich belastet das Schmerzgedächtnis den Organismus erheblich. Schon kleine, eigentlich kaum oder überhaupt nicht schmerzhafte Reize erregen die Nerven. Sie werden dadurch sensibilisiert, wie man sagt. Selbst einfache, neutrale Berührungen empfindet man über diesen Mechanismus als äußerst unangenehm. Auf diesem Wege kommt es auch zu Wechselwirkungen mit dem vegetativen Nervensystem. Jeder langanhaltende Schmerz hat ja immer auch Verbindungen zu gefühlsverarbeitenden Hirnzentren. Nicht zuletzt durch seine emotionalen Verbindungen wird insbesondere der chronische Schmerz häufig so unerträglich. Letztendlich wird das Schmerzgedächtnis als Hauptgrund angesehen für die oftmals begrenzte Wirkung herkömmlicher Therapiemaßnahmen gegenüber chronischen Schmerzen. 

Was hilft gegen Schmerzgedächtnis?

Eine frühzeitige, konsequente Therapie ist daher die beste Medizin gegen die Etablierung des Schmerzgedächtnisses. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass vielfach leichte oder auch mäßig starke Beschwerden „auf die lange Bank“ geschoben werden. Hier lauert die Gefahr einer Therapieresistenz, einer Regulationsstarre. Aus Sicht der Komplementärmedizin sind  sog. Störherde oder Störfelder verantwortlich für Chronifizierung und Therapieresistenz. Die Deaktivierung dieser Störherde kann tatsächlich das Beschwerdebild umgehend positiv verändern. Zu diesem Zweck verwendet man Akupunkturnadeln, Laserstrahlen oder Injektionen mit einem lokalen Betäubungsmittel. Entscheidend wichtig ist allerdings die genaue Ermittlung des Störherdes und seine endgültige Beseitigung. Hierzu bieten sich die Techniken der Aurikulomedizin an. Damit gelingt in aller Regel zuverlässig eine Löschung des Schmerzgedächtnisses.

Therapieresistenz – Schmerz ohne Ende

Für viele ein Riesenproblem: Therapieresistenz – Schmerz ohne Ende. Wenn  Beschwerden trotz eingehender Behandlung nicht enden wollen, spricht man von Therapieresistenz oder auch Regulationsstarre. Damit ist eine scheinbar unbeeinflussbare Situation angesprochen, die auch als Reaktionsstarre bezeichnet wird. Sämtliche therapeutische Bemühungen scheinen ins Leere zu gehen. Es will sich keine oder immer nur eine vorübergehende Besserung einstellen. Behandlungserfolge der Vergangenheit lassen sich jetzt nicht mehr wiederholen. Die Ursache dieses Problems lässt sich offenbar nicht ermitteln. Daher greift man in diesen Situationen in der etablierten Schmerzmedizin auf starke Medikamente und Schmerzbewältigungs-Strategien zurück. Eine Heilung oder wenigstens eine dauerhafte Besserung des Problems an sich ist kein Behandlungsziel mehr. Jetzt heißt es mit dem Schmerz leben zu müssen.   

Störherde: erfolgreich gegen Therapieresistenz

Therapieresistenz ist ein Problem, aber es gibt Abhilfe. Es bedarf nur zusätzlicher Maßnahmen, die in der Regel nicht zum Katalog der konventionellen Medizin, der sog. Schulmedizin, gehören. Hier ist eine effiziente Komplementärmedizin gefragt. Dabei müssen wir nach den Gründen für die Therapieresistenz suchen. Häufig existieren sog. Störherde, also Narbenfelder, die die Selbstheilungskräfte behindern. Das ist überaus häufig der Fall. Leider gibt es zu diesem Thema keine allgemein akzeptieren Forschungsergebnisse. Aus meiner Sicht allerdings besteht an der Existenz dieser Störfaktoren keinerlei Zweifel. Ich habe so viele Patienten erlebt, die erst nach erfolgreicher Suche und Behandlung dieser Störherde beschwerdefrei wurden. Allerdings ist diese Suche manchmal nicht ganz einfach. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Eine ist die seit langem bekannte Neuraltherapie. Aus meiner Sicht ist die lasergestützte kontrollierte Ohrakupunktur die beste Methode.

Behandlung von Stauungsphänomenen   

Schon die traditionelle chinesische Medizin kennt Stauungen, auch Stagnation oder Stase genannt, als wesentliche Ursache von Therapieresistenz. Darüber wurde im alten China viel geschrieben und eine Reihe von bekannten Heilmethoden entwickelt, die auch im modernen China noch eifrig gepflegt werden. Dazu gehören beispielsweise Qigong oder Thai Chi. Aber auch der Westen hat Entspannungstechniken entwickelt, die auf die Auflösung von Spannungen abzielen. Stauungen im Bindegewebe, in den Faszien und der Muskulatur sind meistens nicht sichtbar aber allgegenwärtig. Unser „moderner“ Lebensstil begünstigt natürlich derartige Zivilisationsprobleme. Daher sind aktive, die Zirkulation fördernde Aktivitäten sinnvoll, manchmal tut es auch eine Massage. Viele osteopathische Techniken nutzen diese Effekte. Die erfolgreiche Behandlung von lokalen Stoffwechsel-Problemen ist ein wichtiges Werkzeug zur Überwindung der Therapieresistenz.   

 

Sensibilisierung – mehr Schmerzen

Wie kann es sein, dass Schmerzen immer stärker werden ohne ersichtlichen Grund? Und warum ertragen wir sie immer schlechter anstatt uns daran zu gewöhnen? Die Antwort darauf sind die neuen Zauberworte aus der Schmerzforschung: Sensibilisierung, Schwellenphänomene. Auf einen kurzen Nenner gebracht ist die Botschaft: Schmerzempfindung ist ein hochdynamisches, flexibles und anpassungsfähiges System. Körperliche und seelische Faktoren beeinflussen das Nervensystem. Auf diese Weise bilden sich auf der körperlichen Mikroebene schmerzhemmende und schmerzbahnende Strukturen aus. Diese entstehen und können aber auch wieder verschwinden. Wir selbst spielen in diesem Prozess eine entscheidende Rolle, sind nicht nur der unbeteiligte Beobachter. 

Sensibilisierung

Sensibilisierung bedeutet zunehmende Empfindlichkeit. Keine Einbildung sondern reale, harte Wirklichkeit. Anhaltende Schmerzreize verändern unser Nervensystem. Daher ist es so wichtig, so schnell wie möglich ernsthafte Beschwerden zu unterbinden. Ansonsten sind bereits nach wenigen Wochen auf Zellniveau Systeme der Schmerzentstehung an der Sensibilisierung beteiligt. Dies führt dazu, dass schmerzhafte Erregungen besser, schneller zum Rückenmark und Gehirn fortgeleitet werden. Zusätzlich  verstärken andere Nervensysteme die Schmerzentstehung. Das Gehirn sieht sich durch diese Interaktionen veranlasst mehr Schmerzen wahrzunehmen – selbst wenn eigentlich keine starken Schmerzreize vorliegen. Daher nennt man diesen Zustand zentrale Sensibilisierung. Darunter leiden sehr viele Menschen. Ein Befund, der nicht leicht zu erklären oder zu verstehen ist. Trotzdem sollte immer der Versuch gemacht werden. Der Patient muss mit ins Boot geholt werden, wie man so schön sagt.  

Absenkung der Schmerzschwelle

Eigentlich kennen wir alle diesen Vorgang der Sensibilisierung. Die meisten von uns haben schon einmal Situationen erlebt, in denen sie mit einer gesteigerten Empfindlichkeit reagiert haben. Das können Gerüche, Farben oder auch einfach mal Menschen sein, die wir glauben nicht ausstehen zu können. Letztlich ist in diesen Fällen unsere Reizschwelle abgesenkt. Es bedarf jetzt kleinerer Reize als im Normalzustand, um eine Erregung auszulösen. Bezogen auf unser Thema bedeutet diese Erregung; Schmerz. Eine hohe Schwelle macht uns unempfindlicher, aber auch unsensibler. Niedrige Schwellen erhöhen unsere Reaktionsbereitschaft – ganz ähnlich wie bei einer Allergie. Nur sind wir jetzt nicht gegen Pollen sondern gegen Schmerz auslösende Reize „allergisch“. Diese Schwellenzustände beeinflussen in Wahrheit unser ganzes Leben. Viele wichtige Entscheidungen lassen sich darauf zurückführen.   

Schmerzen – immer eine Herausforderung

Viele Menschen sind traurig, verzweifelt und mutlos, weil sie unter Schmerzen leiden. Häufig widersetzen diese sich allen therapeutischen Bemühungen.

Anfangs hofft man immer, dass  die Schmerzen schnell erkannt und einer wirksamen  Therapie zugeführt werden können. Häufig lässt man die Dinge allerdings auch erst einmal auf sich beruhen und unternimmt nichts. Nicht selten scheinen die Beschwerden auch tatsächlich wieder zu vergehen. Irgendwann wird dann aber klar, dass keine wirkliche Besserung eingetreten ist, obwohl bereits Wochen und Monate vergangen sind. 

Jetzt soll es dann aber ganz schnell gehen und der Weg führt in eine oder mehrere Praxen oder sogar in ein Krankenhaus. Dort erwarten wir Aufklärung über das Leiden, eine klare Diagnose und eine ebenso eindeutige Therapie muss her.

Chronische Schmerzen: eine unangenehme Überraschung

In vielen Fällen finden Ärzte und andere Therapeuten allerdings tatsächlich keine schlüssigen Erklärungen für die Probleme. Dadurch wird die ganze Situation zusätzlich problematisch. Wie soll man die Schmerzen denn seinen Angehörigen und Freunden erklären?  Medikamentöse und operative Behandlungen führen nicht selten zu zusätzlichen Belastungen. Eine Negativspirale beginnt sich zu drehen. Die Stimmung verschlechtert sich zunehmend. Und auch wenn viele es sich dann oft noch nicht eingestehen wollen, es treten zunehmend ernsthafte Momente von Angstgefühlen auf. Man muss sich offenbar eingestehen, dass die  Schmerzen chronisch geworden sind. 

Angst und Selbstzweifel

Wovor ängstigt man  sich? Natürlich vor der Zukunft, denn diese erscheint in  einem zunehmend trüben Licht angesichts der nicht enden wollenden Beschwerden. Ein Leben mit permanenten oder immer wiederkehrenden Schmerzen. Niemand will das. Außerdem gibt es da noch ein schlimmes Problem: warum schlägt die Therapie nicht an, warum helfen all  die therapeutischen Sitzungen nicht oder jedenfalls nicht anhaltend. Ist mein Leiden jetzt schon therapieresistent? Hat das möglicherweise etwas mit mir selbst zu tun, bilde ich mir das Ganze nur ein und was habe ich alles falsch gemacht? Man kann sich unschwer ausmalen, wie sehr die Situation durch solche Grübeleien zusätzlich belastet wird. Und noch etwas macht den Schmerzkranken zu schaffen: sie verlieren das Vertrauen in ihre Therapeuten – ein außerordentlich schwerwiegender Umstand. Woher soll jetzt noch Hoffnung kommen?

Auch wenn es jetzt dramatisch geklungen hat, es ist noch nicht aller Tage Abend. Hoffnung ist da, aber sie sollte nicht mehr enttäuscht werden. Und zuallererst muss den Patienten erklärt werden, warum alles so ist, wie es ist. Was es mit ihren Schmerzen auf sich hat. Diese Erklärungen  müssen nachvollziehbar, plausibel und von viel authentischer Erfahrung unterlegt sein. Dieser Blog soll dazu einen Beitrag leisten.

 

Schmerz – Kompetenz dringend erforderlich

Wenn man den einschlägigen Untersuchungen Glauben schenkt, ist der Schmerz in Deutschland ein Normal- und Dauerzustand. Hierzulande leiden 13-15 Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen, eine wirklich beeindruckend hohe Zahl.  Über 22% der 40-60-Jährigen geben chronische Schmerzen  an. In der Gesamtbevölkerung leidet jeder Zehnte unter Rückenschmerzen. Zu jedem Zeitpunkt haben etwa 20% aller Menschen Schmerzen, die schon mindestens drei Monate bestehen.

Schmerz ist die teuerste aller Krankheiten – vor allem wegen ihrer Konsequenzen und Folgekosten.  Die Zahl der Schmerzkranken steigt nämlich ungeachtet der immer aufwändigeren Therapiebemühungen. Es wird immer häufiger teure und invasive Diagnostik betrieben und immer öfter und schneller operiert. Das Schmerzproblem einfach auszusitzen ist allerdings auch keine Lösung. Die Menschen werden immer älter, und die meisten Beschwerden nehmen im Alter auch noch zu. Daher bedient sich die Medizin aus sämtlichen Technikarsenalen und feuert aus allen Rohren. Medikamente werden in großem Stil eingesetzt und keine Kosten und Mühen gescheut. Aber warum spiegelt sich das nicht im Ergebnis wider, warum ist die Medizin auf diesem Gebiet so ineffizient?   

Das Diagnoseproblem beim Schmerz

Tatsächlich lernt man als Medizinstudent das geflügelte Wort, dass die Götter vor die Therapie die Diagnose gesetzt haben. Damit haben die Götter auch absolut Recht. Allerdings, was passiert, wenn sich keine plausible Diagnose finden lässt?

Leider ist das Fehlen einer auch für die Patienten einleuchtenden Diagnose  keine Seltenheit. Demzufolge haben viele Schmerzpatienten eine Gemeinsamkeit – und das ist ein unklarer, widersprüchlicher diagnostischer Status. Hingegen existieren in all diesen Fällen eine Vielzahl unterschiedlicher Befunde und Vorstellungen über die Ursache des Leidens. Meistens erklärt keine davon plausibel die Entstehung und vor allem das Andauern der Beschwerden, den Chronifizierungsprozess. Warum vergehen diese lästigen Probleme nicht einfach?

Ohne richtige Schmerz-Diagnose keine dauerhaft wirksame Therapie

Es gab einmal einen berühmten deutschen Philosophen, der den vielzitierten Satz sprach: „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“. Genauso wenig gibt es eine erfolgreiche, effiziente Therapie bei unzutreffenden Diagnosen. Wie konnte es dazu kommen, dass unsere erfolgsgewöhnte und innovative Medizinforschung für das Schmerzproblem noch keine Lösung gefunden hat?

Ein Hauptgrund für diese anhaltende Misere ist das Fehlen diagnostischer Werkzeuge, Tools. Daher können wir Schmerz nicht objektiv messen und apparativ darstellen. Natürlich lassen sich mit den üblichen Blutuntersuchungen und radiologischen Diagnoseverfahren eine Menge Daten erheben.  Diese Befunde sind jedoch bei komplexen Schmerzproblemen häufig nicht relevant, sie zeigen nicht die wirkliche Ursache des Schmerzes. Demzufolge muss man feststellen, dass sich derzeit viele Schmerzprobleme einfach deshalb nicht lösen lassen, weil sich die Diagnostik in der Regel nur auf die üblichen, etablierten technischen Fähigkeiten der Medizin stützt.   

 

 

 

 

 

Diagnosen – wichtig aber häufig falsch

An dieser Stelle soll es um ein Thema gehen, das für jeden von entscheidender Bedeutung ist, der sich in ärztliche Hände begibt. Es geht um die Diagnosen, also um die Namen, die die Behandler unseren Schmerzen geben. Diagnosen entscheiden im allgemeinen über unser gesundheitliches Wohl und Wehe und im speziellen über die Therapie einer Krankheit. Welche Informationen führen Ärzte zu einer Diagnose?

Störungen am Bewegungssystem untersucht man vor allem mit Hilfe radiologischer, bildgebender Techniken . Zu diesen Techniken gehören die mittlerweile weithin bekannten Computer- bzw. Kernspintomografien, die sog. „Röhren“. Diese Techniken liefern hochpräzise Bilder von Strukturen nahezu aller Körperbereiche. Wunderbar denkt man, aber wo ist das Problem?  

Vorsicht, Diagnosen!

Die Schwierigkeit beginnt mit der wissenschaftlich geklärten Tatsache, dass die meisten Schmerzen nicht Folge von zerstörten Strukturen sind sondern das Resultat gestörter Funktionen. Bei einer Kniegelenkarthrose sehen wir beispielsweise mit Hilfe der Kernspintomografie exakt das Ausmaß einer Arthrose, also einer zerstörten Struktur. Eine Blockierung, also die Funktionsstörung der Gelenkpartner, können wir mit dieser Methode allerdings nicht feststellen. Dazu ist diese Technik nicht geeignet. Tatsächlich existieren keine apparativen Techniken zur Diagnostik einer funktionellen Störung.

Der Nachweis funktioneller Störungen gelingt mit Hilfe manueller Untersuchungstechniken, auf dem Wege eines ausführlichen ärztlichen Gesprächs und über die Würdigung des gesamten Erscheinungsbildes des Patienten. Dazu gehören Kenntnisse, an denen es in Zeiten großer Technikbegeisterung mittlerweile leider mangelt. 

Fehlentwicklung mit Konsequenzen

Was sind die Konsequenzen dieser Situation, von der die Medizin offenbar nicht Kenntnis nehmen will? Geradezu verzweifelt setzt sie auf noch mehr und immer  aufwändigere Röntgenuntersuchungen in der Hoffnung, doch noch eine strukturelle Diagnose stellen zu können. Das gelingt auch häufig. Irgendein Verschleiß findet sich in aller Regel und wird dann zur entscheidenden Diagnose überhöht. So etwas nennt man Überdiagnostik. Nicht selten resultieren daraus sinnlose Therapien bis hin zu Operationen. Das Ergebnis sind therapieresistente, chronische Schmerzen – aber nach wie vor keine überzeugende Diagnose, die das Leiden erklären kann.

Unsere Medizin, die Medizin des Westens, ist groß geworden durch technische Erfindungen, die die erfolgreiche Behandlung von Seuchen bis hin zur Therapie früher unheilbarer Krankheiten ermöglichte. Störungen, die mit ihren Hilfsmitteln nicht exakt zu diagnostizieren sind, werden gerne in das Reich der Psyche verwiesen. Die Gesamtschau, das vernetzte Denken, gehört nicht zu den Kernkompetenzen unseres Medizinsystems. Dabei ist es gar nicht so schwer. Man muss nur seine Bedeutung erkennen und sich darin üben.   

 

Übertragungsschmerzen – wichtig!

Übertragungsschmerzen haben tatsächlich immer noch etwas Rätselhaftes, obwohl sie eigentlich sehr häufig vorkommen. Deshalb sollten wir sie unbedingt entschlüsseln, wenn wir in der Schmerztherapie nachhaltig erfolgreich sein wollen. Der eigentliche, ursprüngliche Entstehungsort von Schmerzen muss das Ziel unserer Suche sein. Glauben Sie nur nicht, dass man dazu einfach nur die Patienten fragen müsste. So einfach lässt sich unser zentrales Nervensystem nicht hinter die Karten schauen. Tatsächlich sind Schmerzen keine objektive Sinnesempfindung, die man sozusagen objektiv schildern, kommunizieren könnte. Im Gegenteil, sie werden von vielen Faktoren beeinflusst. So beispielsweise von unseren Lebenserfahrungen, Einstellungen, unseren Emotionen und natürlich ganz besonders vom Aktivitätszustand unseres vegetativen Nervensystems. Natürlich hat eine lokale Verletzung oder eine Überanstrengung einen eindeutigen Sinneseindruck zur Folge. Man kennt Schmerzursache und Ort. Das ist aber nicht immer so. Viele Schmerzen treten scheinbar einfach so auf irgendwo am Körper. Und keiner weiß warum und wieso gerade dort.      

Muskel-Triggerpunkte übertragen Schmerzen

Häufig entstehen Schmerzen nicht dort, wo sie wehtun, sondern werden von  einer weit entfernten myofaszialen Funktionsstörung verursacht. Wenn also das Bein schmerzt, kann der Gesäßmuskel die Ursache sein – und eben nicht der „Ischias“. Wenn Ihnen ein Spannungsgefühl im Kopfbereich zusetzt, sollten Sie immer nach Triggerpunkten im Nackenbereich suchen lassen. Während beim Kreuzschmerz alle nach Bandscheibenvorfällen fanden, entwickelt sich dieser demgegenüber viel häufiger durch einen Nervenreiz aus tief gelegenen Körperstrukturen. Schulter- und Armschmerzen sind weniger ein Problem des Schultergelenkes als vielmehr das Ergebnis einer Störung der Nackenmuskulatur und der Halswirbelsäule. Selbst scheinbare Gelenkbeschwerden  an Händen und Füßen entpuppen sich nicht selten als Muskel-Faszienprobleme. Allerdings muss man diese myofaszialen Problemzonen auch auffinden. Dazu sollten wir uns im Klaren sein über die Auslöser von Übertragungsschmerzen. 

Übertragungsschmerzen – eine zentralnervöse Sensibilisierung

Übertragungsschmerzen sind in gewisser Weise das Produkt einer Steigerung der Nervenempfindlichkeit. Eine derartige Sensibilisierung ist keineswegs eingebildet, sie ist leider ganz und gar unangenehm real. Zu allem Überfluss hat es der Körper so eingerichtet, dass die myofaszialen Auslöser der Übertragungsschmerzen selbst nicht oder kaum schmerzhaft sind. Das erschwert natürlich ihre Auffindung. Wie kommt es eigentlich zu diesen seltsamen Phänomenen? Daran beteiligt sind oft andauernde Schmerzreize oder all diejenigen Faktoren, die wir unter dem Begriff Stress zusammenfassen. Im strengeren medizinischen Sinne sprechen wir hier von anhaltenden Erregungen in emotionalen und vegetativen Zentren.  Die intensive Vernetzung dieser Nervensysteme mit dem Muskel-/Faszienbereich verursacht eine Absenkung der Reizschwelle. Schon kleine Störungen und Reize jeder Art lassen uns dann nicht nur „aus der Haut“ fahren. Tatsächlich führen sie darüber hinaus auch zu Beschwerden im myofaszialen System. Muskeln und Gefühle – ein großes Thema! 

Akute und chronische Schmerzen

Akute Schmerzen

Akute und chronische Schmerzen sollte man bei jeder Behandlung schon von Beginn an unterscheiden. Bereits die antiken Ärzte kannten den Unterschied. Der akute Schmerz existiert erst seit Stunden, Tagen oder wenige Wochen. Auch wenn akute Schmerzen oft deutlich intensiver sind, lassen sie sich vergleichsweise leichter behandeln als chronische. Sicherlich auch deshalb, weil eine Lokalbehandlung beim Akutschmerz sinnvoll und erfolgversprechend ist. Darüber hinaus mag das aber auch daran liegen, dass üblicherweise die Diagnose schnell und sicher zu stellen ist. Vor allem aber wirken beim Akutschmerz Medikamente besser, was in großen Studien eindeutig bestätigt wurde. 

Chronische Schmerzen   

Chronische Schmerzen werden immer zahlreicher, nicht zuletzt weil wir auch immer älter werden. Aber chronische Schmerzen machen uns noch älter. Sie behindern uns im jeder Hinsicht, unser Funktionsniveau sinkt dramatisch. Chronische Schmerzen treten oft viel unspektakulärer in Erscheinung, sie schleichen sich sozusagen ein. Es dauert lange, bis wir sie in ihrer ganzen Tragweite realisieren. Schmerzen nennt man chronisch, wenn sie nach drei bis sechs Monaten immer noch bestehen. Oder immer wieder – also episodisch – im Laufe der Jahre auftreten. Ein übrigens sehr häufiger Zustand, der nicht selten den Chronifizierungsprozess verschleiert. Manche Schmerzen chronifizieren nach einem konkreten Ereignis wie einem Unfall oder einer Operation. Häufiger jedoch treten sie spontan auf – nicht selten auch in unterschiedlichen Formen. Dadurch  unterschätzt man zunächst das ganze Ausmaß des Problems und  vernachlässigt sich therapeutisch. Im Nachhinein kommt das oft teuer zu stehen. 

Wie unterscheiden sich akute und chronische Schmerzen?

Beim Akutschmerz hat der Körper noch kein Schmerzgedächtnis entwickelt und reagiert prompt und zuverlässig auf die richtigen therapeutischen Maßnahmen. Darüber hinaus sind die Angaben der Patienten sind in der Regel deutlich hilfreicher. Die Umstände der Beschwerden sind konkreter im Gedächtnis und daher besser zu kommunizieren. Deshalb ist unter diesen Umständen im Normalfall auch eine vollständige Gesundung zu erwarten. Der Schmerz erfüllt hier noch seine Warnfunktion im besten Sinne. Er verweist auf eine akute Bedrohung, der wir uns sofort zu stellen haben.

Bei chronischen Schmerzen sind die Zustände weniger eindeutig. Schmerzarme Phasen wechseln sich mit verstärkten Schmerzempfindungen ab. Im Gegensatz zu akuten Beschwerden können sie in den meisten Fällen nicht durch bestimmte Belastungen, Positionen oder Bewegungen eindeutig provoziert werden. Das Beschwerdebild ist oft unbestimmter als bei akuten Schmerzen. Diagnostik und Therapie sind in der Regel weitaus schwieriger. Die Prognose ist fast immer schlechter, eine vollständige Heilung eher unwahrscheinlich. Chronische Beschwerden werden auch stärker durch äußere und innere Faktoren beeinflusst. Darunter versteht man beispielsweise klimatische oder emotionale Veränderungen. Oft werden chronische Schmerzen lebensbestimmend. Soweit sollten Sie es nicht kommen lassen. 

 

 

Nachhaltigkeit – immer der Königsweg

Nachhaltigkeit steht für dauerhaft, nicht nur vorübergehend. Also ohne dass immer wieder weitere Maßnahmen nötig sind, um ein Ziel zu erreichen. Genau so sollte eine Behandlung sein: heilend und nicht nur hilfreich, ursächlich und nicht nur symptomatisch therapierend. Leider ist unsere Medizin davon noch weit entfernt. Häufig weiß sie es nicht einmal. Daher kämpfen wir meist erfolglos mit  immer zahlreicheren chronischen Gesundheitsproblemen und vielen unerwünschten Nebenwirkungen. Natürlich spielt hier auch die steigende Lebenserwartung eine große Rolle. Allerdings scheint das Verständnis für die Bedingungen, die zu chronischen Krankheitszuständen führen, wenig ausgeprägt zu sein. Daher soll hier die Rede davon sein, unter welchen Voraussetzungen eine Therapie nachhaltig wirksam ist und wann nicht. Das betrifft Beschwerden aller Art aber insbesondere Schmerzen.  

Lokale Probleme

Wenn wir irgendwo Schmerzen haben, suchen wir nach einer Therapie, die sich am Ort des Problems orientiert. Man will das Missvergnügen an der Stelle XY, also beispielsweise am unteren Rücken, möglichst schnell und gezielt beseitigen. Und zwar genau da, wo es weh tut. Also schmiert man eine lindernde Salbe auf  die betroffene Körperstelle. Gerne wird dort auch eine Spritze genommen oder  eine entspannende lokale Massage.  Soweit so gut. Das funktioniert meistens auch. Vorausgesetzt, wir haben es mit einer erst kürzlich entstandenen Problematik zu tun. Es muss sich also um eine Störung handeln, die erst vor kurzem, gemeint sind hier einige Wochen,  am Schmerzort aufgetreten ist und dort ihren Ursprung, ihre Ursache hat. Beispiele: Beinschmerzen nach einem „Pferdekuss“ beim Fußballspiel, oder Halswirbelbeschwerden nach einer Verrenkung beim Einparken. Hier handelt es sich um lokale Probleme, die auch gut lokal behandelbar sind. Also keine Schwierigkeiten mit der Nachhaltigkeit. 

Systemprobleme: Ursache für mangelnde Nachhaltigkeit

Natürlich gibt es mehr als einen Grund für fehlende therapeutische Nachhaltigkeit. Die allgemeine körperliche Fitness wäre hier zu nennen oder auch eine seelische Verfasstheit, die möglicherweise einer systematischen, regelmäßigen Behandlung entgegensteht. Auch der Wunsch aller Patienten – meiner wäre es auch – nach einer möglichst schnellen Besserung der Beschwerden kann Nachhaltigkeit verhindern. Das ist oft dann der Fall, wenn immer nur kurzfristig wirkende Medikamente eingesetzt werden, beispielsweise Cortison oder Schmerzmittel. Die Beschwerden werden damit immer nur weggespritzt oder weggeschluckt, kommen dann aber wieder. Warum? Weil sie nur die Spitze eines Eisberges sind, den man nicht erkennt oder erkennen will. Der verborgene Eisberg stellt die Bezüge dar, den der Schmerz hat, sein Netzwerk.

Chronische Schmerzen – eine Softwarestörung

Dieses Netzwerk wird von den beteiligten Körperbereichen gebildet. Dabei  handelt es sich beispielsweise um Muskeln, Faszien, Nerven, Nervensystemen oder Wirbelgelenke. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Schmerzmatrix. Wir haben es damit mit einem Systemproblem zu tun – vergleichbar mit einer Software-Störung. Bei den Bezügen kann es sich um Verbindungen zu anderen Wirbelsäulenbereichen handeln, wo ebenfalls Störungen, Blockaden vorliegen. Oder einfach um die Tatsache, dass die Beschwerden schon seit längerem bestehen, also seit Monaten oder gar Jahren. Vielleicht sind sie in der Vergangenheit in einem immer leicht abgewandelten Erscheinungsbild aufgetreten, so dass man diese Bezüge nicht so ohne weiteres herstellt. Natürlich will man die ganze Angelegenheit ja auch möglichst niedrig hängen und redet sich dann so manches schön. Unter diesen Bedingungen muss eine Lokaltherapie versagen. Die therapeutische Nachhaltigkeit ist gefährdet.